Morphologisch-anatomische und physiologische Charakteristik

  Der Körperbau des Europäischen Nerzes liegt zwischen dem von L. lutra und M. putorius – schlanke Statur, länglicher Körper und kurze Extremitäten sowie ein Schwanz, der etwas kürzer  als die Hälfte der Körperlänge und nicht sehr wuschelig ist. Die Körperhaltung ist im Vergleich zu anderen Vertretern der Familie Mustelidae massiver und kompakter. Der Kopf ist leicht abgeflacht (was das Schwimmen und Tauchen erleichtert), die Ohren sind breit und nicht hoch und sitzen am Hals, der fast so dick wie der Kopf ist (Abb. 9). Die Ohren haben eine Größe von ca. 1,5-2,4 cm. Die Körperlänge erwachsener Europäischer Nerze (ohne Schwanz) beträgt 25,0-40,0 cm ♀ und 28,4-44,0 cm ♂, die Schwanzlänge 10,5-18,0 cm ♀ und 11,7-19,0 cm ♂ und das Körpergewicht 370,0-740,0 g ♀ und 450,0-1250,0 g ♂. Das Durchschnittsgewicht des Europäischen Nerzes ist deutlich niedriger als das des Europäischen Iltis und des Amerikanischen Nerzes (Mink) – entsprechend über 1,75 und über 1,54 Mal niedriger. Die Maße für Länge und Gewicht der männlichen und weiblichen Tiere sind in Tabelle 2 aufgeführt.

Abb. 9. Körperbau des Europäischen Nertzes (Quelle: A. Ives, Calviac ZOO, Frankreich)

 

Tab. 2. Tabelle der Körperlängen und des Gewichts von weiblichen und männlichen Europäischen Nerzen (Quelle: Abelentsev 1968, Danilov i Tumanov 1976, Gittleman 1986, Heptner et al. 2001, Ceña et al. 2003, Palazón et al. 2003b, Fournier et al. 2008, Ştiucă et al. 2010, Palomares et al. 2017)

Abmessung Autor Herkunft der Tiere Geschlecht
n Fähen n Rüden
Körperlänge [mm] Abelentsev 1968 Ukraine 25 250,0-350,0 24 300,0-440,0
Schwanzlänge [mm] 105,0-153,0 117,0-165,0
Länge des hinteren Fußes [mm] 36,0-58,0 43,0-65,0
Ohrenlänge [mm] 15,0-23,0 18,0-24,0
Körpergewicht [g] 370,0-700,0 502,0-949,0
Körperlänge [mm] Novikov 1939 Durchschnittliche Ergebnisse für das Verbreitungsgebiet der Art in den 1950er/60er Jahren. ? 320,0-400,0 ? 284,0-430,0
Schwanzlänge [mm] 130,0-180,0 124,0-190,0
Länge des hinteren Fußes [mm] 50,0-53,0 54,0-64,0
Ohrenlänge [mm] 20,0-25,0
Körpergewicht [g] Heptner et al. 2001 Mitteleuropa 550,0-800,0 (n=?)
Körperlänge [mm] Popov und Lukin 1949 Russland (Einzugsgebiete von Wolga und Kama)* 300,0-360,0 310,0-406,0
Schwanzlänge [mm] 120,0-142,0 145,0**
Länge des hinteren Fußes [mm] 45,0-58,0 52,0-61,0
Körpergewicht [g] Danilov und Tumanov 1976 Russland (nordwestliches Gebiet) 9 540,3** 17 814,6**
Körperlänge [mm] Sidorovich und in. 1999 Weißrussland 8 351,0** 14 391,0**
Körpergewicht [g] 536,9** 854,3**
Körperlänge inklusive Schwanz [mm] Ceña et al. 2003 Spanien (Baskenland) 5 452,0-502,0 5 504,0-575,0
Körpergewicht [g] 6 461,0-672,0 7 731,0-1050,0
Körpergewicht [g] Palomares et al. 2017 13 522,0** 15 830,0**
Körperlänge [mm] Palazón et al. 2003b Spanien (Norden) 29 280,0-330,0 67 310,0-395,0
Schwanzlänge [mm] 30 120,0-170,0 130,0-185,0
Ohrenlänge [mm] 27 17,0-22,0 61 18,0-25,0
Länge des hinteren Fußes [mm] 28 50,0-60,0 66 54,0-82,0
Länge des vorderen Fußes [mm] 26 61,0-75,0 64 61,0-93,0
Körpergewicht [g] 32 340,0-675,0 68 585,0-1065,0
Körperlänge [mm] Gittleman 1986 ? 383,8
Körpergewicht [g] 590,0
Körpergewicht [g] Ştiucă et al. 2010 Rumänien (Donaudelta) 17 380,0-600,0 49 450,0-1250,0
Körperlänge [mm] Saint-Girons 1991 Francja (Département Loire-Atlantique, Charente-Maritime sowie Gironde) 8 310,0-340,0 28 360,0-410,0
Schwanzlänge [mm] 120,0-150,0 140,0-180,0
Länge des hinteren Fußes [mm] 52,0-57,0 26 60,0-66,0
Ohrenlänge [mm] 7 15,0-20,0 20,0-27,0
Körpergewicht [g] 10 505,0-740,0 33 650,0-1120,0
Körpergewicht [g] Fournier et al. 2008 Francja (Landes de Gascogne) 4 443,0-540,0 7 770,0-940,0

Körperlänge – die Körperlänge von der Spitze der Schnauze bis zum Anus (ohne Schwanz), n – Zahl der gemessenen Individuen, * – n = 18, ** – arithmetischer Mittelwert, ? – keine Angaben

 

Das Körpergewicht des Europäischen Nerzes schwankt im Laufe des Jahres, was vor allem auf die aufeinander folgenden Phasen des Sexualzyklus zurückzuführen ist. ErwachseneFähen verlieren im Februar und März etwa 15 % ihres Körpergewichts vom Januar, erwachsene Rüden verlieren in diesem Zeitraum etwa 10 % ihres “Januar”-Körpergewichts, und Jungtiere beider Geschlechter ( unter einem Jahr) verlieren von Mitte Februar bis Mitte März ca. 10 % ihres Körpergewichts.

Die Extremitäten von M. lutreola haben fünf Zehen und sind mit scharfen Krallen versehen, wobei die hinteren Extremitäten für Halbsohlengang eingerichtet sind (Abb. 9). Die Länge der Vorderpfoten beträgt etwa 7,5-8,5 cm und die der Hinterpfoten etwa 10,0-11,5 cm. Die Zehen werden von einer haarigen, gut entwickelten Schwimmhaut verbunden, die bei den Hinterpfoten bis zum dritten Zehensegment reicht. Zehenspitzen, Mittelfußballen der vorderen und hinteren Pfoten sind hell und sowohl im Sommer als auch im Winter sichtbar (unbedeckt durch Haare).

Das Haarklweid ist glänzend und variieren in der Farbe von rostbraun über dunkelkastanienbraun bis dunkelbraun (Abb. 10). Flaumhaare sind grau und graubraun. Das Fell an den Extremitäten und am Schwanz ist dunkler als das Fell am Rücken, während die hellste Färbung die Körperunterseite kennzeichnet. Der Gesamtfarbton des Fells ist trotz der oben genannten Unterschiede homogen. Sehr selten sind atypische Exemplare – fast schwarz, mit besonders seidig glänzendem Haar -, weiße Albino-Exemplare und Individuen mit einem Fell mit weißen Flecken. Es gibt keine Unterschiede in der Färbung zwischen Weibchen und Männchen.

Abb. 10. Ein Individuum M. lutreola mit artencharakteristischen Merkmalen der Fellfarbe (Quelle: N. Meyer)

 

In dem Haarkleid des Europäischen Nerzes gibt es Leithaare, Grannenhaare und Flaumhaare. Leiterhaare haben ein relativ gut entwickeltes Mark (ca. 60,5 % der Haarschaftdicke), das fast über die gesamte Länge des Schafts verläuft, bei Grannenhaaren ist das Mark dünner (ca. 46,7 % der Haardicke) und weniger gut ausgeprägt, während bei Flaumhaaren die Markstärke am geringsten ist (ca. 33,3 % der Haardicke), obwohl sie über die gesamte Länge des Schafts verläuft. Bei allen Haartypen ist der Schaft durchgehend und im Querschnitt zentralsymmetrisch. Seine Struktur im Längsschnitt hat eine leiterartige Anordnung mit einer klumpigen Füllung in Flaumhaaren und einer amorphen Füllung in Grannenhaaren. Bei den Leithaaren hat der Schaft eine gitterartig-schwammige Struktur. Der Querschnitt der Flaumhaare des Europäischen Nerzes ist kreisförmig, während der Querschnitt der Granneenhaare und der Leithaare oberhalb des Haaransatzes oval ist.

Die Leiterhaare sind gerade und glänzend, mit einer bräunlichen Verdickung ab mittlerer Länge (ca. 10,8 mm), die Grathaare sind wellenartig (3-5 wellige Kurven), mit einer Verdickung ab einer Höhe von ca. 3,8 mm, während die Flaumhaare leicht gewellt sind (bis zu sieben feine Wellen) und keine Verdickung aufweisen. Das Verhältnis zwischen der Querschnittsfläche des verdickten Teils des Schafts der Leit- und Grannenhaare und der Querschnittsfläche des unverdickten Teils des Schafts beträgt 2:1. Die Leiterhaare wachsen deutlich über der Schicht des Unterfells.

Unmittelbar am Ansatz der Flaumhaare sind die Kutikularschuppen hülsenförmig, während sie auf dem Rest der Haarlänge die Form von Schuppen mit glatten Oberflächen und Kanten haben. Die Kutikularschuppen der Graanenhaare haben die Form länglicher Wellen mit glatten Rändern. Die Leithaarschuppen sind lang und schmal, mit nahezu parallelen, glatten Kanten, einer glatten oder leicht gerillten Oberfläche und einer dachziegelartigen Anordnung (Abb. 11). Das Muster der Schuppenanordnung auf der Oberfläche der Leithaare ähnelt dem der Haarschuppen des amerikanischen Nerzes (Mink). Hier kann die Ähnlichkeit der Schuppenanordnung als Beispiel für eine evolutionäre Konvergenz angesehen werden, die möglicherweise mit der Anpassung an eine amphibische Lebensweise zusammenhängt, während es sich im Fall des Europäischen Nerzes und des Europäischen Iltis um eine evolutionäre Divergenz handelt. Die Zellen des Haarmarks der Leithaare und der darin befindlichen luftgefüllten Räume sind hauptsächlich senkrecht zur Längsachse des Haares angeordnet (Abb. 11). Durch dieses Merkmal ähneln die Leithaare des Europäischen Nerzes denen des Europäischen Iltis. Eine Charakteristik der Haare von M. lutreola, begleitet von Skizzen und Mikrofotografien, wird auch von Debrot et al. gegeben.

Abb. 11. Leithaar des Europäischen Nerzes – Schuppenmuster (oben) und Querschnitte des Haarmarks mit der sichtbaren Verteilung der Haarmarkzellen (unten) (Quelle: González-Esteban 2006, geänderte Fassung)

 

Das Fell des Neryes ist kury und dicht – pro ein Leithaar fallen knapp 40 Grannenhaare und Flaumhaare an. Die Dichte des Haarkleids ist gro- und erreicht ca. 27 000 Haare pro cm2, wovon ca. 670 sind Leithaare, und ca. 26 330 sind Grannenhaare und Flaumhaare. Die Ambessungen der einyelnen Tzpen der Haare sind in der Tabelle Nr. 3 aufgestellt. Die Haare am Rumpf und am Schwany haben eine ungefähr gleiche Länge und Struktur. Die Leithaare wachsen aus den Haarbalgen einzeln oder als Büschel, begleitet von vier bis sechs Grannenhaaren und Flaumhaaren. Es gibt auch Büschel mit sechs bis neun Flaumhaaren und Grannenhaaren, ohne Leithaare. Diese Büschel kommen in Gruppen mit einem Büschel mit Leithaar sowie drei oder vier Büschel ohne Leithaare vor.

 

Tab. 3. Abmessungen der Sommerhaare des Europäischen Nerzes (Quelle: Sokolov 1982)

Abmessungen Typ der Haare
Leithaare Grannenhaare Flaumhaare
Länge [mm] Durchmesser [μm] Länge [mm] Durchmesser [μm] Länge [mm] Durchmesser [μm]
Wert Sokolov 1982* 20,3 91,0 13,5 31,0 9,7 18,0
Galatík et al. 2011** 20,0-31,0 60,0-121,0 10,0-21,0 25,0-51,0 8,0-21,0 6,0-11,0

* – mittlere Werte, ** – der minimale und maximale Wert

 

Der Fellwechsel erfolgt zweimal im Jahr – von März bis Mai findet der Frühjahrs-Fellwechsel statt, von August bis November der Herbstwechsel. Ähnlich wie bei anderen amphibischen Säugetieren erfolgt der Haarwechsel allmählich und ist schwer zu erfassen. Das ommerfell ist kürzer, weniger dicht und heller als das Winterfell, das sich durch hohe Dichte und Glanz auszeichnet. Der Unterschied zwischen Sommer- und Winterfell ist weit weniger ausgeprägt als bei anderen Vertretern der Gattung Mustela. Das Haarkleid weist eindeutige Anpassungen an die amphibische Lebensweise auf, darunter die hohe Dichte an Flaumhaaren (viel höher als bei anderen Marderartigen, aber gleichzeitig viel niedriger als beim Fischotter) und die Deckhaare haben einen sehr breiten, abgeflachten Mittelteil. Die für erwachsene Individuen typische Haarkleid erscheint nach dem ersten Herbstfellwechsel.

Charakteristisch für diese Art ist das Vorhandensein eines weißen Flecks an der Spitze der Schnauze (Abb. 12), der die Ober- und Unterlippe sowie das Kinn bedeckt. Es wurde eine Form von M. lutreola beschrieben, die in historischer Zeit in Schlesien vorkam und bei der die weiße Färbung an der Spitze der Schnauze reduziert oder gar nicht vorhanden war. Ein oder mehrere weiße Flecken von unterschiedlicher Form und Größe sind auch auf dem Fell, das den ventralen Teil des Halses und des Brustkorbs bedeckt, üblich. Weiße Flecken auf dem Thorax treten bei etwa 50 % der Individuen der nord- und osteuropäischen Populationen auf, während sie bei Tieren der französischen Population bei 10 % der Individuen und bei der nordspanischen Population nur bei etwa 2 % vorhanden sind. Die weiß gefärbten Flecken, ihre Anzahl und Form, sind individuell spezifisch und können zur Identifizierung von Individuen dienen.

Abb. 12. Europäischer Nerz mit einem deutlichen weißen Fleck, der sich über die Oberlippe, die Unterlippe und das Kinn erstreckt (źródło: K. Rudloff)

 

Die Haut des Europäischen Nerzes ist relativ dick, sie erreicht auf der Ventralseite des Körpers eine Stärke von etwa 1,70 mm und auf der Dorsalseite von etwa 1,48 mm; die Dermis ist in diesen Körperbereichen 1,68 mm bzw. 1,45 mm dick. Die Epidermis und die Hornschicht sind auf der Dorsalseite dicker als auf der Ventralseite und ihre Stärke beträgt entsprechend 34 μm und 18 μm bzw. 22 μm und 11 μm. Die Malpighi-Schicht (die so genannte lebende Epidermis) besteht aus 1-3 Zellschichten, und die Papillarschicht der Haut ist viel dicker als die Retikularschicht und beträgt 1,06 mm bzw. 0,38 mm auf dem Rücken und 1,13 mm bzw. 0,55 mm auf der Brust und dem Abdomen. Horizontale Kollagenfaserbündel kommen hauptsächlich in der Dermis vor und sind durch ein relativ lockeres Geflecht gekennzeichnet. In den papillären und retikulären Schichten sind Fettzellen vorhanden. Die Talgdrüsen sind einlappig, oval und länglich und haben eine Größe von etwa 112 × 224 μm in der Haut auf der Ventralseite und 40 × 242 μm in der Haut auf der Dorsalseite. Die Schweißdrüsen sind vereinzelt und haben eine wurstförmige, gekräuselte Form und einen Durchmesser von etwa 28 μm. In der Haut des Europäischen Nerzes fehlen die Haarbalgmuskeln. Unter mikroskopischer Vergrößerung ist die Hautoberfläche gerunzelt und die Öffnung der Haarfollikel ist schmal und ragt nicht über die Hautoberfläche hinaus.

Der Schädel von M. lutreola, der in Abb. 13, Abb. 14, Abb. 15 und Abb. 16 dargestellt ist, hat eine feine Struktur, die in der dorsoventralen Ebene, besonders in der Frontalregion, abgeflacht ist. Der Hirnschädel ist nicht sehr lang, die Jochbeinbögen sind relativ lang und mäßig weit auseinanderliegend, während der Gesichtsschädel eher länglich ist. Die für Fleischfresser typische postorbitale Verengung ist schwach ausgeprägt und an ihrer schmalsten Stelle gleich lang oder etwas länger als das interorbitale Segment. Der Warzenfortsatz ist ebenfalls nur schwach ausgeprägt, und die Paukenplasen sind klein, von geschwollener Form, relativ kurz und schmal (das Verhältnis ihrer Länge zu Breite beträgt etwa 1:1,7) und weit auseinanderliegend. Der Scheitelkamm ist am Schädel von M. lutreola deutlich ausgeprägt, während der Sagitalkamm etwas schwächer ausfällt. Der Schädel von Jungtieren ist durch ein weniger entwickeltes und kürzeres Viszerokranium als bei erwachsenen Individuen sowie durch einen stärker aufgeblähten Hirnschädel gekennzeichnet. Der Gesamtaufbau des Schädels zeigt eine viel schwächere Raubtierspezialisierung als beim Iltis oder beim Amerikanischen Nerz.

Abb. 13. Schädel des Europäischen Nerzes (Rüde) – laterale Ansicht (Quelle: E. Zholnerovskaya)

 

Abb. 14. Schädel des Europäischen Nerzes (Rüde) – Ansicht von oben (Quelle: E. Zholnerovskaya)

 

Abb. 15. Schädel des Europäischen Nerzes (Rüde) – Innenseite und Unterkiefer – dorsale Seite (Quelle: E. Zholnerovskaya)

 

Abb. 16. Skiyyen von dem Schädel der M. lutreola – laterale Seite (oben), dorsale Seite (unten, rechts), Innenseite ohne Unterkiefer (unten, rechts) (Quelle: Miller 1912, geänderte Fassung)

 

Die Kondylobasallänge des Schädels beträgt 5,6-6,8 cm, während die Jochbeinlänge 2,9-4,0 cm beträgt. Die postorbitale Verengung ist verkürzt und schlecht ausgeprägt. Der Scheitelkamm, der entlang der Scheitelknochen verläuft, und der Lambdakamm, der den Hinterkopf nach hinten umgibt, sind ebenfalls schwach ausgeprägt, wobei ihre Ausprägung vom Geschlecht abhängt und mit dem Alter zunimmt. Die Paukenblasen sind mandelförmig und klein. In vielen Aspekten liegt der Schädel des Europäischen Nerzes zwischen dem des Europäischen Iltis und dem des Feuerwiesels.

Europäischer Nerz hat 34 Zähne, und sein Gebissschema, der typisch für die Vertreter der Gattung Mustela ist, hat die Form  (Ruprecht 1993). Die Zahl der Milchzähne beträgt 18 – von den Schneidezähnen sind nur die äußersten oberen im Milchgebiss vorhanden. Die Art hat ein Schneide- und Brechgebiss. Eckzähne und dreiwurzelige Reißzähne (P3 im Oberkiefer und M1 im Unterkiefer) stark entwickelt. Der Abstand zwischen den Eckzähnen im Ober- und Unterkiefer beträgt 13 mm, der Durchmesser des Eckzahns an der Basis 4 mm und die Höhe von der Basis bis zum Spitzenpunkt beträgt 8 mm. Diese Dimensionen dienen dazu, Bisse des Europäischen Nerzes zu erkennen und so seine Beute zu identifizieren. Die Innenfläche des Spitze des unteren Reisßzahns (M1) ist glatt, ohne vertikale Kante. Der zweite obere Prämolar (P2) dringt nicht in die Aussparung im vorderen Teil der Reißzahnkrone (P3) ein und berührt nur den vorderen Rand der Krone. Dem unteren Reißzahn (M1) fehlt einer der Höcker in der inneren Reihe – das so genannte Metaconid. Die ersten Prämolaren des Ober- und Unterkiefers sind einwurzelig – Abb. 15, Abb. 16., Abb. 17. Die Zunge ist glatt.

Abb. 17. Schädel eines Europäischen Nerzes mit sichtbarem Gebiss des linken Teils des oberen Zahnbogens und teilweise des linken Teils des unteren Zahnbogens (Quelle: J. Novák)

 

Um den Anus, unter dem Schwanz, befinden sich hochentwickelte, paarige Analdrüsen, deren flüssiges Sekret Signal- und Verteidigungsfunktionen hat. In Bezug auf die Geruchskommunikation spielen die Sekrete der Analdrüsen eine wichtige Rolle bei der Identifizierung von Individuen und wahrscheinlich auch bei der Auswahl von Paarungspartnern und der Erkennung der Paarungsbereitschaft. Der abwehrende (abschreckende) Charakter der Analdrüsensekrete wurde bereits in den frühesten literarischen Erwähnungen der Art festgestellt – die stinkenden Sekrete des europäischen Nerzes wurden beispielsweise bereits von Aldrovandi und Bernia, Schott, Jose und Bomare beschrieben. Ein irritierter oder verängstigter Europäischer Nerz kann in einer Abwehrreaktion Sekrete aus den Analdrüsen absondern. Die Analdrüsensekrete bestehen aus 12 chemischen Verbindungen, deren Konzentration sowie die qualitative Zusammensetzung der Sekrete unabhängig vom Geschlecht erhebliche individuelle Unterschiede aufweisen. Die einzigen geschlechtsspezifischen Unterschiede beziehen sich auf die Paarungszeit, in der sich die Analdrüsensekrete von Rüden und Fähen hinsichtlich der Konzentration von 3 Komponenten deutlich unterscheiden. In der Zeit unmittelbar vor der Paarungszeit produzieren Rüden im fortpflanzungsfähigen Alter eine höhere Menge der flüchtigen Bestandteile des Sekrets, während Fähen tun es sowohl dann als auch während der Paarungszeit. Der gemischte Geruchsstoff hat eine ähnliche Zusammensetzung wie die Sekrete von Arten, die evolutionär eng mit dem Europäischen Nerz verwandt sind, darunter der Europäische Iltis und das Feuerwiesel, wobei der übelriechende Charakter schwächer ist als bei M. putorius.

                Das durchschnittliche Gewicht der Leber beträgt bei Fähen etwa 29,2 g und bei Rüden etwa 39,9 g. Das durchschnittliche Gewicht des Herzens beträgt etwa 5,0 bzw. 6,0 g, der Lunge etwa 7,5 bzw. 10,5 g, des Gehirns etwa 7,9 g bzw. 9,0 g, der Bauchspeicheldrüse etwa 2,6 g bzw. 2,4 g und der Niere (links) etwa 2,5 g bzw. 3,4 g. Azzali und Romita führten histochemische und ultrastrukturelle Untersuchungen an den Zellen des drüsigen Teils der Hypophyse durch. Der Europäische Nerz hat, wie andere Marderartige auch, keinen Blinddarm.

                Die Körpertemperatur erwachsener Europäischer Nerze liegt bei ca. 37,0°C bei Rüden (n=18) und ca. 36,2°C bei Fähen (n=14), die Pulsfrequenz beträgt 216 bzw. 223 Schläge pro Minute und die Atemfrequenz liegt bei 48 Atemzügen pro Minute bei Rüden und 41 Atemzügen pro Minute bei Fähen. Die am besten entwickelten Sinne dieser Art sind das Gehör und der Geruchssinn, während das Sehvermögen relativ schwach ist.

 

Ahmed et al. beschrieben die Aminosäuresequenz des Hämoglobins (EC 4.1.1.39) von M. lutreola. Die etablierte Länge der α-Kette beträgt 141 Aminosäuren und die β-Kette besteht aus 146 Aminosäuren. Die Aminosäuresequenz der α-Kette und der β-Kette des Europäischen Nerzes und des Europäischen Iltisses unterscheiden sich um eine bzw. vier Aminosäuren, die des Europäischen Nerzes und des Europäischen Dachses um acht bzw. fünf Aminosäuren, die des Europäischen Nerzes und des Honigdachses Mellivora capensis um neun und eine Aminosäure und die des Europäischen Nerzes und des Fischotters um jeweils zwei Aminosäuren. Im Vergleich zum Frettchen liegen die Unterschiede nur in der β-Kette und umfassen vier Aminosäuren.

Studien über die hemmende Wirkung von Alkaloiden auf die hepatische Monoaminoxidase (MAO, EC 1.4.3.4) beim Europäischen Nerz deuten auf die Existenz mehrerer MAO-Isoformen bei dieser Art hin.

Der Geschlechtsdimorphismus manifestiert sich in den Proportionen der Körperteile, so macht beispielsweise die Länge des Schwanzes bei Rüden in der Regel 35 bis 52 % der gesamten Körperlänge aus, während sie bei Fähen 37 bis 45 % beträgt. Der Geschlechtsdimorphismus äußert sich in größeren Körpermaßen und einem höheren Körpergewicht der Rüden – um etwa 16-25 % bzw. 30-40 % im Vergleich zu Länge und Gewicht der Fähen. Der Wert des Index des Sexualdimorphismus, berechnet als Logarithmus des Verhältnisses von Körpergewicht der Rüden zu dem der Fähen, beträgt 0,17 (für die nordöstliche Population) und 0,22 (für die südwestliche Population) und ist einer der niedrigsten in der Gattung Mustela. Als Vergleich beträgt der Index des Geschlechtsdimorphismus bei M. putorius  0,33, bei M. eversmannii 0,31, und bei M. sibirica 0,23. ermittelten eine geschlechtsspezifische Funktion für den BCI-Index (engl. Body Condition Index) des Europäischen Nerzes, die für Fähen die Form BCI♀ = Körpergewicht/2,38 × Gesamtkörperlänge2,11 und für Rüden BCI♂ = Körpergewicht/3,20 × Gesamtkörperlänge2,22  hat.

Der Geschlechtsdimorphismus ist auch im Schädelaufbau ausgeprägt, sowohl in Bezug auf die Größe als auch auf die Form. Die Werte aller in Tabelle 4 zusammengefassten kraniometrischen Messungen sind bei den Rüden höher. Die Unterschiede in der Schädelform äußern sich in einem relativ höheren Hirnschädel, weiter auseinander liegenden Jochbögen, einem stärker vorspringenden Viszerokranium, breiteren Baukenblasen und einer größeren Höhe des Unterkiefers. Bei den Fähen sind die knöchernen Vorsprünge und Kämme weniger stark ausgeprägt. Der Schädel der Rüden ist im Allgemeinen größer und schwerer als bei den Fähen. Detaillierte Studie zum Sexualdimorphismus im Bereich des Schädels von M. lutreola wurde von Abramov und Tumanov durchgeführt, wobei auf der Grundlage einer Diskriminanzanalyse nachgewiesen wurde, dass die Messung der Jochbeinweite und der Interorbitalbreite eine Geschlechtsunterscheidung mit einer Wahrscheinlichkeit von 96,5 % ermöglicht (Abb. 18). Youngman wies nach, dass die größte Unterscheidungskraft zwischen den Geschlechtern in der Länge des oberen Molars, der Breite der Hinterhauptkondylen, der Höhe des Hirnschädels und der Breite des Schädels zwischen den Warzenfortsätzen liegt. Die Diskriminanzanalyse ermöglichte die Entwicklung von Formeln mit den Parametern A und B, um Schädel unbekannter Herkunft dem jeweiligen Geschlecht zuzuordnen: A = 1,266 MB + 1,185 CH – 1,126 BCB + 4,796 M1L – 41,724, B = 1,440 MB + 1,035 CH -1,000 BCB + 4,497 M1L – 34,760. Ein Ergebnis von A>B bedeutet, dass es sich um den Schädel eines Rüden handelt, während A<B bedeutet, dass es der Schädel einer Fähe ist.

Abb. 18. Zusammenfassung der Werte der Jochbeinweite und der Interorbitalbreite bei Fähen (Kreise) und Rüden (Dreiecke) des Europäischen Nerzes (Quelle: Abramov und Tumanov 2003, geändertr Fassung)

   

Es ist zu betonen, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Schädelgröße beim Europäischen Nerz weniger ausgeprägt sind als bei anderen ähnlich großen Vertretern der Familie Mustelidae. Diese Tatsache entspricht den Ergebnissen der allgemeinen Analyse des Sexualdimorphismus bei Arten, die phylogenetisch und ökologisch dem Europäischen Nerz nahe stehen. Sie beweisen, dass der Index des sexuellen Dimorphismus (berechnet nach der von Rossolimo und Pavlinov) vorgeschlagenen Formel): ISD = 100 × [(X – X)/X], wobei ISD – der Index des Sexualdimorphismus in %, X – der Mittelwert eines bestimmten Parameters bei Rüden, X – der Mittelwert eines bestimmten Parameters bei Fähen) bei dieser Art (12,8 %) niedriger ist als beim Europäischen Iltis (20,4 %) oder dem Amerikanischen Nerz (Mink) (15,4 %).  

Der Aufbau des Fortpflanzungssystems des Europäischen Nerzes ist dem des Europäischen Iltis sehr ähnlich. Die Fähen haben einen zweihörnigen Uterus und 3-5 Brustwarzenpaare. Der Penisknochen (Baculum) der Rüden ist etwa 3,5-4,6 cm lang. Das Baculum hat eine für die Gattung Mustela typische Struktur, d. h. es ist hakenförmig gekrümmt, aber die Furche an der Unterseite des Knochens ist breiter als bei Iltissen und beim Feuerwiesel, und die Spitze des Knochens ist löffelartig gebogen. Auf der Ventralseite weicht der Endteil des Penisknochens leicht nach rechts ab, wie in der Abb. 19 dargestellt.

Abb. 19. Penisknochen (Os penis) des Europäischen Nerzes – von links nach rechts: Seitenansicht, Dorsalseite, Ventralseite, Dorsalfläche des distalen Endes (Quelle: Didier 1947, geänderte Fassung)

 

 

Aus praktischen Gründen, vor allem im Hinblick auf die Maßnahmen zur Erhaltung des Europäischen Nerzes als einer vom Aussterben bedrohten Art, ist es sehr wichtig, ihn vom evolutionär eng verwandten Europäischen Iltis und dem ökologisch sehr ähnlichen Amerikanischen Nerz (Mink) zu unterscheiden . Die Verbreitungsgebiete dieser Arten in Europa decken sich in erheblichem Maße. Dieses gemeinsame Auftreten ist insofern problematisch, als es bei dem Monitoring von (natürlichen und wiederangesiedelten) Populationen zu fälschlich positiven Identifizierungen des Europäischen Nerzes führen kann, die auf der Entdeckung von Fährten und Fraßspuren beruhen, und es birgt auch das Risiko, unbeabsichtigt Opfer von Ausrottungsmaßnahmen gegen N. vison zu werden, wenn in einem Gebiet fälschlich negative Identifizierungen von Europäischen Nerzen erfolgen. Die korrekte Identifizierung des Europäischen Nerzes ist auch deshalb wichtig, weil es in der Vergangenheit, sogar noch im 20. Jahrhundert, durchaus vorkam, dass er mit dem Amerikanischen Nerz (Mink) verwechselt oder identifiziert wurde, und zwar vor allem in der populärwissenschaftlichen Literatur, was beispielsweise die Arbeiten von Godman, Marchlewski, Ferens, Hofmann oder Reichholf belegen.

Sehr wertvoll sind in diesem Zusammenhang nichtinvasive Methoden zur Erfassung von M. lutreola, wie der bereits beschriebene genetische Test der nuklearen Mikrosatelliten Mel08 oder die Nested-PCR-RFLP-Technik D-Loop-Sequenz. Eine Labormethode mit sehr hoher Unterscheidungskraft ist auch die Analyse der mikroskopischen Struktur (Auflichtmikroskopie) der Leithaare – das Muster der Schuppen ermöglicht die Unterscheidung des Europäischen Iltis vom Europäischen Nerz und vom Amerikanischen Nerz (Mink), während die Struktur des Haarmarkes die Unterscheidung der beiden letztgenannten Arten ermöglicht. Die Überlegenheit der auf der Struktur der Leithaare basierenden Methode gegenüber den molekulargenetischen Techniken liegt in ihrer Einfachheit und den geringen Durchführungskosten sowie in der Möglichkeit, eine hochinformative Analyse auf der Grundlage von nur einem reifen Leithaar durchzuführen (für genetische Analysen müssen mindestens 10 Haarwurzeln gewonnen werden). Der Vorteil der molekularen Artenbestimmungsmethoden gegenüber den nachstehend beschriebenen Methoden besteht darin, dass die letztgenannten Methoden vergleichend sind und einer Gegenüberstellung der Merkmale des untersuchten biologischen Materials, der Fährten oder der Fraßspuren mit dem Vergleichsmaterial und – auf der Grundlage dieses Vergleichs – einer Identifizierung anhand der Differenzen bedürfen.

Die Identifizierung des Europäischen Nerzes in der Natur basiert auch auf der direkten Identifizierung von Futter- und Fährtenspuren, was jedoch aufgrund der großen Ähnlichkeit mit den Fährten und Fraßspuren von M. putorius und N. vison schwierig und unsicher sein kann. Die Trittsiegel des Europäischen Nerzes zeichnen sich durch Abdrücke von fünf Zehen, häufig einen ausgeprägten Abdruck der Schwimmhaut, kurze Krallenabdrücke (kürzer als bei M. putorius) sowie einen verlängerten Ballenabdruck aus und haben eine Länge von ca. 3,5-4,0 cm bei Vorderpfoten und 3,6-6,5 cm bei Hinterpfoten – Abb. 20. Die Abdrücke der Zehenspitzen und des Ballens sind im Vergleich zum Europäischen Iltis und zum Amerikanischen Nerz (Mink) meist größer – sie haben eine größere Abdruckfläche als bei den vorgenannten Arten. Weibchen hinterlassen kleinere Trittsiegel als Männchen.

Abb. 20. Abdruck der vorderen (oben) und der hinteren (unten) Pfote des Europäischen Nerzes (Quelle: Ponomareva 2015 – links, Sidorovich 1995 – rechts)

 

Der Kot des Europäischen Nerzes (Abb. 22) ist von fester Beschaffenheit, etwa 5-8 cm lang und 5-8 mm breit, spiralförmig gedreht, an einem Ende spitz und von brauner oder schwarzer Farbe. Der Kot des Europäischen Nerzes ist in der Regel zylindrischer als der des Europäischen Iltis und ähnelt dem eines Fischotters. Die Futterplätze des Europäischen Nerzes sind durch Beutereste gekennzeichnet; diese Art sammelt und versteckt Beute, die sie dann in Zeiten geringerer Beuteverfügbarkeit nutzt, aber diese Futterplätze unterscheiden sich nicht von denen des Europäischen Iltis und des Amerikanischen Nerzes (Mink) und sind ohne eindeutige Fewhrten schwer zu identifizieren. Eine sehr verlässliche Methode zur Feststellung der Anwesenheit des Europäischen Nerzes, insbesondere in Kombination mit der Trittsiegelerkennung, ist die Verwendung von automatischen Kameras oder Fotofallen (engl. camera trapping).

Abb. 22. Kot des Europäischen Nerzes (Quelle: Macdonald und Barrett 1993, geänderte Fassung)

 

Die Identifizierung anhand des Skelettmaterials des Europäischen Nerzes (fossile Überreste oder postmortales Skelett) im Kontext seiner Unterscheidung vom Europäischen Iltis und dem Amerikanischen Nerz (Mink) ist am einfachsten mit kraniometrischen Methoden. Youngman wies nach, dass die größte Aussagekraft zur Unterscheidung zwischen den Schädeln von M. lutreola und M. putorius durch die Gegenüberstellung der Ergebnisse der Messungen der maximalen Breite der Hinterhauptkondylen und der Breite zwischen den postorbitalen Fortsätzen (Abb. 23) sowie durch die Gegenüberstellung der Differenz der Kondylobasallänge und der Gaumenlänge (PPL) sowie der Breite des Hinterhauptbeins (Abb. 24) gegeben ist. Zur Unterscheidung von M. lutreola und N. vison ist es hingegen am besten, die Gegenüberstellung der Summe der lingualen Länge und der medialen Länge des oberen Molars M1 (LLM1) sowie des bereits definierten PPL-Wertes zu verwenden – Abb. 25.

Abb. 23. Bereiche der 95%igen Wahrscheinlichkeit bei der Messung der maximalen Breite der Hinterhauptkondylen (BCB) und der Breite zwischen den postorbitalen Fortsätzen (POPB) für M. lutreola und M. putorius (Quelle: Youngman 1982, geänderte Fassung)

 

Abb. 24. Bereiche der 95%igen Wahrscheinlichkeit bei der Messung des Hinterhauptbeins (MB) und der PPL-Länge (erläutert im Text) für M. lutreola und M. putorius (Quelle: Youngman 1982, geänderte Fassung)

 

Abb. 25. Bereiche der 95%igen Wahrscheinlichkeit für die Summe der lingualen Länge und der medialen Länge des oberen Molars M1 (LLM1) sowie des PPL-Wertes (erläutert im Text) für M. lutreola und N. vison (Quelle: Youngman 1982, geänderte Fassung)

   

Die Ergebnisse der phylogenetischen Allometrie deuten auf eine hochgradige Ähnlichkeit innerhalb der Langknochen zwischen Europäischem Nerz, Europäischem Iltis und Steppen-Iltis hin. Signifikante Ähnlichkeiten in dieser Hinsicht wurden auch beim Europäischen Nerz und beim Amerikanischen Nerz (Mink) festgestellt; während jedoch im ersteren Fall allometrische Ähnlichkeit trotz evolutionärer Divergenz auftritt, ist die Ähnlichkeit mit dem Amerikanischen Nerz (Mink) hier konvergent und hängt mit der Anpassung an eine amphibische Lebensweise zusammen. Die Ähnlichkeit der Skelettstruktur von M. lutreola, M. putorius, M. eversmannii oder N. vison, die sich in der Form und den Proportionen der Strukturelemente der Langknochen ausdrückt, ist an der hinteren Extremität stärker ausgeprägt. Die Ähnlichkeit zwischen dem Europäischen Nerz und den anderen genannten Arten ist bei der Ulna, dem Radius, dem Femur, der Tibia und der Fibula deutlich ausgeprägt, während beim Humerus deutlich mehr Ähnlichkeiten zwischen dem Europäischen Nerz und dem Amerikanischen Nerz (Mink) festgestellt werden.

Der Körperbau des Europäischen Nerzes weicht nicht vom allgemeinen Strukturschema der Gattung Mustela ab und ist dem des Frettchens sehr ähnlich. Ein charakteristisches Merkmal von M. lutreola ist die relativ große Gehirnmasse (größer als bei Arten mit größerer Körpermasse), die im Durchschnitt 8,0 g bei den Fähen und etwa 8,5 g bei beiden Geschlechtern beträgt. Im Vergleich dazu liegen diese Werte beim Europäischen Iltis bei ca. 7,0 g und ca. 8,3 g und beim Amerikanischen Nerz (Mink) bei ca. 7,0 g und 8,5 g. Das Gewicht des Fettgewebes in der Leiste macht durchschnittlich 16-24 % des Körpergewichts der Tiere aus und beträgt im Sommer etwa 2-3 g und steigt im Winter auf etwa 15-22 g an.